Am 25. März 2022 wurden die Erlasse des Bundesbau- und des Bundesverkehrsministeriums zu Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukrainekriegs veröffentlicht.
Hier in Kürze die wesentlichen Punkte: Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe Für maschinenintensive Gewerke kommt ausnahmsweise die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe in Betracht. Dies gilt, wenn die beiden nachfolgend genannten Voraussetzungen vorliegen: 1. Die Vertragsunterlagen sind so aufgestellt, dass sie sich für die indexbasierte Preisgleitung eignen (eigene Ordnungsziffer). 2. Der Wert der Betriebsstoffe übersteigt ein Prozent der geschätzten Auftragssumme.
Neue Vergabeverfahren Wie erwartet definiert der Bund Baustoffgruppen, für die ab sofort ohne weitere Voraussetzungen (Indexänderungen) Stoffpreisgleitklauseln vereinbart werden müssen. Dazu zählen: - Stahl und Stahllegierungen - Aluminium - Kupfer - Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut) - Epoxidharze - Zementprodukte - Holz - Gusseiserne Rohre Wie erwartet wird der zeitliche Mindestabstand zwischen Angebotsabgabe und Baufertigstellung als Voraussetzung der Preisgleitung von bislang sechs Monaten auf einen Monat verkürzt.
Laufende Vergabeverfahren Soweit Vergabeverfahren bereits eingeleitet sind, aber die Angebote noch nicht geöffnet wurden, sind Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einzubeziehen. Ausführungsfristen sind an die aktuelle Situation anzupassen. Gegebenenfalls ist die Angebotsfrist zu verlängern. Bieteranfragen zur Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für die genannten Produktgruppen müssen die Vergabestellen folgen. Voraussetzung ist, dass der Kostenanteil des betroffenen Stoffs mindestens 1% der geschätzten Auftragssumme beträgt. Ist die Angebotsöffnung bereits erfolgt, ist das Verfahren zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Bauausführung in den Stand vor Angebotsabgabe zurück zu versetzen, um Stoffpreisgleitklauseln einbeziehen und gegebenenfalls Ausführungsfristen verlängern zu können.
Anpassung bestehender Verträge Verlängerung von Vertragslaufzeiten, § 6 VOB/B Sind Materialien aus den genannten Produktgruppen nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise, zu beschaffen, ist von einem Fall höherer Gewalt auszugehen. Als Rechtsfolge wird die Ausführungsfrist verlängert.
Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB Sind die Materialien aus den genannten Produktgruppen zwar zu beschaffen, muss das Unternehmen jedoch höhere Einkaufspreise zahlen, gilt Folgendes: Durch die Erlasse wird anerkannt, dass der Ukrainekrieg als Störung der Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Die Ministerien verweisen darauf, dass die Frage, ob dem Unternehmen das Festhalten am Vertrag zumutbar ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall geprüft werden kann. Als Anhaltspunkt weisen die Erlasse jedoch auf Ergebnisse der Rechtsprechung hin, wonach bei Werten innerhalb eines Korridors zwischen 10 und 29 % Preissteigerung von Unzumutbarkeit auszugehen ist. Dabei ist nicht auf die einzelne Position, sondern auf eine Gesamtbetrachtung des Vertrages abzustellen. Je geringer der Anteil einer betroffenen Position am Gesamtauftragsvolumen ist, desto höher wird die anzusetzende Schwelle sein. Ist die Geschäftsgrundlage gestört, hat der Unternehmer einen Anspruch auf Anpassung der Preise für die betroffenen Positionen. Die Höhe der Vertragsanpassung ist im Einzelfall festzusetzen. Die Ministerien weisen darauf hin, dass eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten regelmäßig ausscheiden wird.
Vertragsänderung zulasten des Bundes, § 58 Bundeshaushaltsordnung Die Erlasse weisen darüber hinaus darauf hin, dass Verträge zum Nachteil des Bundes und zugunsten der Unternehmen auch unterhalb der Schwelle der gestörten Geschäftsgrundlage geändert werden können. Ob ein Nachteil für den Bund vorliegt, muss im Rahmen einer Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für die Baumaßnahme ermittelt werden. Ergibt die Gesamtabwägung beispielsweise, dass eine Anpassung von Preisen den termingerechten Fortgang der Baumaßnahme fördert, Auseinandersetzungen an anderer Stelle vermeidet, Verwaltungsaufwand und Folgekosten (etwa durch längere Nutzung eines Ersatzmietobjekts) erspart, kann ein Nachteil im wirtschaftlichen Sinne ausscheiden und ein Anspruch auf Vertragsanpassung gegeben sein. Nur wenn nach der Gesamtabwägung dem Bund ein wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde, kommt es auf die Frage an, ob ein besonders begründeter Ausnahmefall vorliegt, weil das Unternehmen unbillig benachteiligt ist.
Rechtsfolge Preisanpassung Begehrt ein Unternehmen eine Preisanpassung, sei es nach § 313 BGB, sei es nach § 58 BHO, ist es für die Voraussetzungen darlegungspflichtig. Hierzu zählt insbesondere der Nachweis der tatsächlichen Einkaufskosten sowie der Nachweis der Marktüblichkeit der tatsächlichen Einkaufspreise durch Vorlage von Vergleichsangeboten.
Rechtsfolge Nachträgliche Einbeziehung einer Preisgleitklausel Ausdrücklich weisen die Erlasse darauf hin, dass neben dem Anspruch auf Preisanpassung auch die nachträgliche Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel in einen bestehenden Vertrag infrage kommt. Die nachträgliche Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel kommt nur für solche Verträge in Betracht, bei denen bisher höchstens die Hälfte der Leistungen aus den genannten Produktgruppen ausgeführt wurde. Die nachträgliche Vereinbarung bezieht sich auf alle noch nicht erbrachten Teilleistungen, deren Ausführung in die Laufzeit des Erlasses fällt.
Inkrafttreten und Geltungsdauer Die Regelungen traten am 25. März 2022 in Kraft und sind bis 30. Juni 2022 befristet.
>>> Hier finden Sie Informationen zu Stoffpreissteigerungen
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